Wie können Unternehmen wachsen? Wachstum kann extern und marktgetrieben sein, wenn man in einem wachsenden Markt agiert. Wachstum kann durch Expansionsinvestitionen wie Übernahmen und Fusionen erreicht werden. Die wichtigste interne Triebkraft, der Herzschlag für Wachstum, ist jedoch die Innovation. Genauer gesagt: Wachstum entsteht, wenn ein Unternehmen sowohl für bestehende als auch für neue Kunden neuen Wert schafft.
In diesem Artikel möchten wir Ihnen Anregungen für Wachstum aus der Perspektive von Jobs-to-be-Done (JTBD) vorstellen. Die Ideen und Anregungen dazu wurden vom Innovationspionier Anthony W. Ulwick in Edizon’s Special JTBD Webinar präsentiert. Wachstum mit der JTBD–Brille zu betrachten wird Ihnen dabei helfen, vielversprechende Wachstumsfelder zu identifizieren und neue Einnahmequellen in angrenzenden Märkten zu generieren, die 1) schnell und 2) risikoarm verfolgt werden können.
Vier Fragen werden Sie von Ihrem Standpunkt aus zu neuem Wachstum anleiten:
Der Ausgangspunkt: Was ist mein Kernmarkt?
Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, dass die Jobs-to-be-Done Theorie Märkte etwas anders definiert, als Sie es möglicherweise gewohnt sind. Denn aus JTBD Sicht ist es besonders wichtig, einen Markt lösungsfrei – das heißt unabhängig von existierenden Produkten oder Services – zu beschreiben. Ein Markt ist somit eine Gruppe von Personen (Job Executor genannt) plus den Job, den diese erledigen möchten. Eine solche Marktdefinition lautet beispielsweise:
Das Schöne an dieser Marktdefinition ist, dass ein Unternehmen damit seinen Markt mit den Augen der Kunden betrachten kann. Beispielsweise können junge Erwachsene ganz verschiedene Produkte oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, um den Job “Sicherung der finanziellen Zukunft“ zu erledigen: Sie können eine Lebensversicherung abschließen, eine Immobilie kaufen oder in einen Fondssparplan investieren. Die Betrachtung eines Marktes durch die Brille des Kunden hilft Unternehmen, ihre “funktionale Fixierung“ zu vermeiden und Kundenbedürfnisse unabhängig von bestehenden Produkten oder Dienstleistungen zu erkennen. Wenn Märkte auf diese Weise definiert werden, sind die identifizierten Kundenbedürfnisse langfristig gültig und können in der Folge als Grundlage für unternehmensweite strategische Entscheidungen wirken.
Generell gibt es drei verschiedene Wachstumspfade für Unternehmen: Unternehmen können 1) innerhalb ihres Marktes wachsen, 2) in angrenzende Märkte expandieren oder 3) in völlig neue Märkte eintreten (was wir im Allgemeinen nicht empfehlen, da dies meist mit hohen Risiken verbunden ist).
Die JTBD-Theorie bietet vielfältige Anregungen, um innerhalb eines Marktes zu wachsen, wie Tony Ulwick in seinem Artikel “Measure Customer Progress Using JTBD + Outcome-Driven Innovation“ beschreibt (wir empfehlen jedem, der für Wachstum verantwortlich ist, diesen ausgezeichneten Artikel zu lesen!). Beispielsweise kann ein Unternehmen seinen Kunden helfen, einen bestimmten Aspekt eines Job-to-be-Done besser oder günstiger zu erledigen, als dies vergleichbare Produkte und Services am Markt vermögen. Oder ein Unternehmen kann eine Lösung anbieten, die einen gesamten Job-to-be-Done abdeckt, sodass der Kunde nicht mehrere unterschiedliche Produkte und Services zusammenstoppeln muss (“One–Stop-Shop Lösung“). Ein Unternehmen kann seinen Kunden auch dabei helfen, mit einem einzigen Produkt einen Job-to-be-Done in ganz unterschiedlichen Kontexten zu erledigen.
Marktdefinitionen aus der JTBD-Perspektive beinhalten diese Wachstumsperspektive schon von Haus aus, weil ein Job-to-be-Done niemals statisch ist: Jobs-to-be-Done haben die Tendenz, im Laufe der Zeit immer vollständiger und umfassender zu werden, wie ich in meinem Artikel “Antizipieren Sie die Zukunft“ ausführe. Das Wachstumspotenzial bestehender Märkte ist jedoch begrenzt, und ein Wachstum innerhalb bestehender Märkte, das das natürliche Marktwachstum überschreitet, erfordert viel Aufwand und Zeit. Der effektivere Wachstumspfad liegt daher im Blick über den Zaun: in angrenzenden Märkten und im Erkennen der dortigen “Low Hanging Fruits“.
Um einen Markt aus der Jobs-to-be-done Perspektive zu definieren, muss man hinter das Offensichtliche blicken. Die zentrale Frage ist: “Was ist der Job, den meine Kunden eigentlich erledigen wollen, wenn sie mein Produkt verwenden oder meine Leistung in Anspruch nehmen? “ Wenn es um das Identifizieren von angrenzenden Märkten geht, ist die Denkweise produktzentrierter. Hier geht es darum herauszufinden, welchen Job-to-be-Done ein Produkt oder eine Technologie erfüllt. Denn das Ziel besteht darin, die aktuelle Technologie und das Know-how eines Unternehmens auf andere Anwendungsbereiche zu erweitern, um dort Wert zu schaffen.
Ein angrenzender Markt ist ein Markt, der aus Perspektive des Unternehmens entweder den aktuellen Job Executor oder den aktuellen Job-to-be-Done beinhaltet. Somit gibt es zwei Wachstumspfade, um in einen angrenzenden Markt zu wachsen (siehe Matrix am Ende dieses Artikels):
1) Ein Unternehmen kann seine Lösung für einen bestimmten Job-to-be-Done einer neuen Personengruppe (= Job Executors) anbieten. Beispielsweise kann ein Unternehmen, das Bleich-Kits für Zahnärzte bereitstellt, eine Lösung entwickeln, die es jedem ermöglicht, seine Zähne zu Hause im Badezimmer aufzuhellen. In diesem Fall bleibt der Job-to-be-Done “Zähne bleichen“ gleich, aber der Job Executor wechselt von Zahnärzten zu Privatpersonen. Der Vorteil dieses Wachstumspfads besteht darin, dass die notwendige Technologie und das Wissen schon vorhanden sind und lediglich auf eine neue Anwendergruppe umgelegt bzw. geringfügig modifiziert werden muss.
2) Ein Unternehmen kann eine Lösung für einen weiteren Job-to-be-Done entwickeln, den die adressierten Job Executors erledigen möchten. Zum Beispiel kann ein Beratungsunternehmen, das Berufseinsteigern hilft, sich auf die nächste Phase ihrer Karriere vorzubereiten, auch eine Lösung anbieten, die eben diese Personengruppe dabei unterstützt, ein Arbeits- und Privatleben zufriedenstellend auszubalancieren. Der Vorteil bei diesem Wachstumspfad ist, dass bereits eine Kundenbeziehung mit den entsprechenden “Job Executors“ vorhanden ist. Das Unternehmen muss somit nicht im gleichen Ausmaß in die Steigerung des Bekanntheitsgrades, die Schaffung von Vertrauen oder dem Aufbau eines positiven Images investieren, als wenn es eine völlig neue Kundengruppe ansprechen würde.
Die Vorteile des Wachstums in angrenzende Märkte liegen auf der Hand: Die Unsicherheiten sind überschaubar, da entweder der Kunde oder die Technologie vertrautes Terrain ist, und die Einnahmequellen können relativ schnell und mit geringem Risiko geschaffen werden. Generell empfehlen wir, in angrenzende Märkte zu wachsen und das Expandieren in völlig neue Märkte zu vermeiden, da dort das Risiko eines Misserfolgs weitaus höher ist.
Lassen Sie uns das Gelesene mit einer kleinen Übung rekapitulieren: Nehmen Sie Stift und Papier und versuchen Sie, anhand folgender Fragen angrenzende Märkte für Ihr Geschäft zu finden:
Wie ist es Ihnen bei der Übung ergangen? Konnten Sie feststellen, wie schnell und mit dieser einfachen Übung zukünftige Wachstumspfade aufgedeckt werden?
Häufig finden Unternehmen viele Anwendungsmöglichkeiten für ihre Technologie, und damit eine lange Liste möglicher angrenzender Märkte. Weitaus schwieriger ist es aber, die beste Alternative daraus herauszufiltern. Es gibt zahlreiche Bewertungskriterien basierend auf dem Jobs-to-be-Done Prinzip, um Märkte zu bewerten und den einen erfolgversprechendsten Markt zu identifizieren. Beispielhafte Kriterien sind:
Für eine detailliertere Beurteilung können Sie das Market Selection Tool von Strategyn herunterladen.
Wenn Sie die Ausführungen von Tony W. Ulwick zu diesem Thema hören möchten, empfehlen wir das Edizon’s Special JTBD Webinar (beginnen Sie bei Minute 24).
Wenn Sie noch mehr Denkanstöße zum Thema Wachstum erhalten möchten, lesen Sie den HBR-Artikel The 6 Ways to Grow a Company.
Und wenn Sie die Ergebnisse der obigen Übung diskutieren, uns überraschende Erkenntnisse mitteilen wollen oder Fragen haben: Schreiben Sie uns an info@edizon-innovation.com, Betreff: Übung zu angrenzenden Märkten.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren Wachstumsbemühungen und hoffen, dass die “Jobs–to–be Done“ Denkweise Ihnen wertvolle Anregungen geben konnte, um schnell und mit geringem Risiko neues Innovationspotenzial zu erschließen!
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