Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, in einem umkämpften Markt profitabel zu wachsen. Die Produkte sind vielfach austauschbar und der Spielraum für Differenzierung und Produktverbesserung gering, sodass der Wettbewerb zunehmend über den Preis erfolgt. Doch wenn der Preis das Hauptkriterium für die Kaufentscheidung ist, sind die Unternehmen gezwungen, ihre Mitbewerber immer wieder zu unterbieten. Diese Abwärtsspirale wird Preisfalle genannt. Die Job-to-be-Done Denkweise kann helfen, der Preisfalle zu entkommen.
Herausforderungen für das Produktmanagement
Produktmanager müssen drei Fragen beantworten, wenn sie der Preisfalle entkommen und mit neuen Produkten ihre Profitabilität und den Marktanteil steigern wollen.
Für jede dieser Fragen stellen wir in der Folge ein Unternehmen vor, das das Problem erfolgreich gelöst hat.
Ausweg 1: zusätzlichen Wert für Kunden schaffen
Um der Preisfalle zu entkommen, muss zunächst der Markt aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachtet werden. So ging auch das Team des Imperial College in London vor, als es das iKnife entwickelte. Das iKnife ist ein intelligentes Skalpell, das bei Krebsoperationen zwischen gesundem und krankem Gewebe unterscheiden kann. Die Forscher gingen bei der Entwicklung nicht vom Produkt aus, sondern sie analysierten die Aufgabe, die Kunden erledigen wollen, wenn sie ein Skalpell verwenden (= Job-to-be-Done). Sie fragten sich “Was will ein Chirurg erreichen, wenn er eine Krebsoperation durchführt?“ und fanden heraus, dass die Antwort das “Entfernen von krankem Gewebe“ ist.
Kunden beurteilen den Wert eines Produktes oder Services danach, wie gut sie damit eine bestimmte Aufgabe erledigen können. Dazu verwenden sie bestimmte Beurteilungskriterien (sogenannte Outcomes). Ein Outcome kann unterschiedliche Dimensionen umfassen: die Zeit für die Erledigung einer Aufgabe, der Wahrscheinlichkeit eines Fehlers oder die Anzahl der benötigten Ressourcen. Ein relevantes Outcome für einen Chirurgen ist beispielsweise die “Minimierung der Wahrscheinlichkeit, Krebsgewebe im Körper des Patienten zu belassen, welches den Tumor wieder wachsen lässt.“ Er möchte auch in möglichst kurzer Zeit feststellen können, ob das befallene Gewebe tatsächlich vollständig entfernt wurde.
Die Entwickler des iKnife konzentrierten sich auf diese beiden Outcomes. Sie modifizierten ein mit Hitze arbeitendes Skalpell, längst ein Standardinstrument bei chirurgischen Eingriffen. Eine spezielle Vorrichtung saugt den Rauch ein, der entsteht, wenn durch das Gewebe geschnitten wird. Dieser wird analysiert, um festzustellen, ob das Gewebe gesund oder krank ist.
Mit bisherigen Lösungen dauert die Analyse der Gewebeprobe mindestens 30 Minuten. Nicht selten war deshalb eine zweite Operation erforderlich. Das iKnife schafft dies in Echtzeit und hilft dem Chirurgen somit, eine Aufgabe viel besser zu erledigen, als dies herkömmliche Lösungen tun. “Das iKnife zeigt das Ergebnis sofort. Damit können Chirurgen Operationen in einer noch nie dagewesenen Genauigkeit durchführen“, erklärt Dr. Zoltan Takats, einer der Entwickler gegenüber BBC News.
Die Job-to-be-Done Denkweise ist der Schlüssel zum Entdecken von tatsächlichen Kundenbedürfnissen. Kennt man diese, kann man Produkte und Services entwickeln, die dem Kunden einen wirklichen Zusatznutzen bieten. Indem man die Aufgabe des Kunden ins Zentrum seiner Betrachtungen stellt, kann aus einem Commodity eine echte Zukunftschance werden.
Ausweg 2: Ineffizienzen und unnütze Kosten reduzieren
Studien zeigen, dass abhängig von der Branche bis zu 60% der Kunden bereit sind, mehr zu bezahlen, wenn sie ein einfacheres Kundenerlebnis geboten bekommen. Für einen höheren “Simplicity-Faktor“ sind Kunden bereit, im Versicherungsbereich bis zu 5,5% mehr zu bezahlen, und im Retail Banking sogar bis zu 6%. Unser nächstes Beispiel kommt aus der Finanzbranche.
Klassischerweise setzen Banken auf persönliche Berater, die Kunden in ihren Finanzangelegenheiten unterstützen. Für ihre Leistungen verlangen die Banken Gebühren – Kreditkartengebühren, Kontoführungsgebühren, Überweisungsgebühren, Gebühren bei Überschreitung des Überziehungsrahmens, und viele mehr. Völlig anders gingen Joshua Reich, Shamir Karkal and Alex Payne vor, als sie das Dienstleistungsunternehmen “Simple“ gründeten. Sie erkannten, dass Kunden in Wahrheit gar nicht daran interessiert sind, Überweisungen zu tätigen, ihren Kontostand zu prüfen oder das richtige Sparprodukt zu finden. Die Aufgabe, den Kunden erledigen wollen, wenn sie eine Finanzdienstleistung in Anspruch nehmen, ist das Managen ihrer Finanzen. Dieses Mindset ist der Kern der Job-to-be-Done Denkweise.
Mit diesem konzeptionellen Modell im Kopf und einem Erfahrungshintergrund aus technologischen Branchen gelang es den Gründern, mit “Simple“ ein außerordentliches Bankservice zu entwickeln. Nie zuvor konnten Endkunden so einfach und bequem ihre Finanzen managen. Dabei ist Simple keine Bank, sondern kooperiert mit Banken, die im Hintergrund bleiben und das “Backoffice“ bilden. Simple konzentriert sich darauf, eine optimierte Kundenschnittstelle zu bieten und die Kundenerfahrung so angenehm wie möglich zu gestalten. Kunden haben online und durch Apps Zugriff auf alle ihre Daten, können ihr Budget planen oder Sparziele festlegen und den Fortschritt überwachen. So ist es beispielsweise möglich, den definierten Sparzielen monatlich einen bestimmten Betrag zuzuweisen oder das Ausgabe- und Sparverhalten zu analysieren.
“Wir wollten mit diesen Funktionalitäten Menschen dabei helfen, etwas zu erreichen, das ein persönliches Ziel ist, aber mit den bisherigen Lösungen nur schwer umsetzbar ist“, erklärt Joshua Reich, Gründer und CEO in einem Interview mit VentureBeat. Die Kunden von Simple geben ihm recht: Bereits ein Jahr nach der Gründung wickelt Simple nach eigenen Aussagen mehr als eine Milliarde Transaktionen ab.
Die durchdachte und ansprechende Designoberfläche ermöglicht es, die Anzahl persönlicher Kundenberater zu verringern und damit auch die Kosten für Räumlichkeiten und Anlagen zu reduzieren. Gleichzeitig bietet Simple einen höheren Kundennutzen, indem das Service seinen Kunden dabei hilft, die Aufgabe “Managen von Finanzen“ besser und einfacher zu erledigen, als das klassische Banken tun.
Die Job-to-be-done Denkweise hilft Unternehmen, die tatsächlichen Kundenbedürfnisse zu entdecken und die richtigen Strategien zu entwickeln, um diese bestmöglich zu erfüllen. Indem Leistungsmerkmale, die den Kunden keinen echten Nutzen bieten, erkannt werden, können Ineffizienzen eliminiert und Kosten reduziert werden.
Ausweg 3: bedürfnisorientierte Segmentierungskriterien
Klassische Segmentierungskriterien eignen sich nicht immer dafür, ein Produkt auf alle Zielmärkte und Kontexte abzustimmen. Das zeigt unser Beispiel der Bauindustrie. In der Bauindustrie wird der Markt meist anhand demographischer Merkmale wie Unternehmensgröße, Branche oder Verwenderbereich segmentiert. So segmentierte der Radlader-Hersteller Liebherr sein Produktportfolio in vier Kategorien: Hochbau, Tiefbau, Straßenbau sowie Garten- und Landschaftsbau.
Als Liebherr in einer Job-to-be-Done Marktanalyse 250 Radladerfahrer zu ihren Outcomes beim Einsatz eines Radladers befragte, wurde jedoch klar, dass jedes der definierten Segmente Kunden mit ähnlichen Bedürfnissen enthielt. Anders gesagt: Die verwendeten Segmentierungskriterien eigneten sich nicht dazu, Kundengruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu identifizieren!
In der Folge segmentierte Liebherr seinen Markt mit der Outcome-Driven Innovation® Systematik und somit anhand der tatsächlichen über- und untererfüllten Bedürfnisse. Dabei wurden vier Segmente mit völlig unterschiedlichen Bedürfnisprofilen identifiziert. Die neue Segmentierungsstruktur war Ausgangspunkt für mehrere Maßnahmen, die einen immensen Effekt auf die Profitabilität und das Wachstum von Liebherr hatten.
So zeigten die Ergebnisse des Outcome-Driven Innovation® (ODI) Prozesses, dass die bestehenden Produkte von Liebherr die Bedürfnisse eines wichtigen Segments bereits optimal erfüllten, die Kommunikationsmaßnahmen von Liebherr dies jedoch nicht vermittelten. Eine erste Maßnahme war daher die Neupositionierung von bestehenden Radlader-Modellen und eine stärkere Betonung der identifizierten relevanten Kundenbedürfnisse in der Marktkommunikation.
Die Ergebnisse zeigten außerdem, dass die Bedürfnisse von zwei weiteren Segmenten nicht optimal mit dem bestehenden Produktportfolio erfüllt werden konnten. Hier wurde die Entscheidung für eine Produktneuentwicklung getroffen. Die Entwicklungsschwerpunkte und Anforderungen gingen aus den Ergebnissen des ODI Prozesses klar hervor. Liebherr erreichte dadurch eine Einsparung der Herstellkosten im zweistelligen Prozentbereich bei gleichzeitiger Steigerung der Funktionalität und Sicherheit. Die beiden Compactlader, die aus diesem Projekt hervorgingen, wurden für den Bauma Innovationspreis 2013 nominiert und mit dem Red Dot Award Product Design ausgezeichnet. Zur Markteinführung lag der Auftragseingang bereits 30% über dem Vorjahreswert.
Mit der Job-to-be-Done Denkweise können die tatsächlichen Kundenbedürfnisse identifiziert werden. Wenn Kundenbedürfnisse der Ausganspunkt für die Marktsegmentierung sind, so kann das Produktmanagement darauf fokussieren, für jedes Segment einen optimalen Wert zu schaffen. Der Preis ist nicht länger das ausschlaggebende Kaufkriterium.
Anhand von drei Beispielen haben wir drei Strategien vorgestellt, um der Preisfalle zu entkommen: zusätzlichen Wert für Kunden schaffen, Ineffizienzen und unnütze Kosten reduzieren sowie echte Kundensegmente finden und gezielt ansprechen. Gerne diskutieren wir mit Ihnen, welche Strategie für Ihren Markt zielführend ist!
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