Während das Innovationsverständnis früher eher technologieorientiert war, wissen wir schon seit einigen Jahren, dass der Markt und Kundenbedürfnisse gleichermaßen wichtige Treiber von Innovationen sind. Daher stellen immer mehr Unternehmen den Kunden in den Mittelpunkt ihrer Innovationsbemühungen. “Listening to the voice of the customer“ wird als Voraussetzung für erfolgreiche Innovation gesehen, und potenzielle Kunden werden in verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses integriert, beispielsweise durch gemeinsame Ideenworkshops, bei der Konzeptentwicklung oder beim Prototypen-Testing.
Dennoch bleiben viele Innovationsprojekte ohne großen Markterfolg, entweder weil sie nicht auf die tatsächlich relevanten Kundenbedürfnisse eingehen, oder weil die Verbesserung, die sie bieten, aus Sicht der Kunden nur geringfügig ist.
Was ist der Grund dafür? Warum sind viele Initiativen von Unternehmen, kundenorientiert zu innovieren, nicht von Erfolg gekrönt? Ist der Market-Pull Ansatz im Innovationsmanagement vielleicht doch nicht so effektiv, wie man dachte?
Meiner Meinung nach ist der Grund dafür nicht im “Market-Pull“-Konzept an sich zu suchen, sondern in seiner praktischen Umsetzung. Innovation ist ein Akt der “schöpferischen Zerstörung“, wie Joseph Schumpeter bereits 1942 feststellte. Er war sich bewusst, dass das “Neue“, das mit Innovation einhergeht, alte Strukturen verändert, verdrängt und schlussendlich zerstört. Dieser Prozess mag schmerzhaft sein, aber er ist notwendig, damit Fortschritt stattfinden kann.
Während dem Prozess des Innovierens ist das “Neue“ jedoch noch nicht greifbar, so dass Menschen dazu neigen, sich an dem zu orientieren, was sie kennen. Dies gilt für Produktentwickler, die dazu neigen, in Kategorien bestehender Produkte, Verfahren oder Technologien zu denken (beschrieben im Phänomen der “funktionalen Fixierung“). Das gilt ebenso für Kunden, die ihre Bedürfnisse – direkt gefragt – nur in Bezug auf etwas Bekanntes formulieren können (wir alle kennen das Zitat von Henry Ford: “Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde“).
Nicht nur Menschen, auch Systeme wie Märkte neigen dazu, sich an das Vertraute zu halten. Während die Produktvielfalt in sehr jungen Märkten extrem groß ist – viele verschiedene Versionen von Produkten, aber auch komplett unterschiedliche Produktarchitekturen existieren nebeneinander – kristallisiert sich irgendwann ein “dominantes Design“ heraus. Das dominante Design oder der Produktarchetyp setzen einen De-Facto Standard für Produkte und Services in diesem Markt, und die nachfolgenden Innovationen orientieren sich an diesem Standard.
Dieser Artikel erklärt diese Mechanismen am Beispiel des Haartrockners: Seit über hundert Jahren ist ein Haartrockner ein elektrisches Gerät, das heiße Luft auf das Haar bläst. Beim Innovieren von Produkten wie z.B. des Haartrockners stellen sich Entwicklungsteams oft die Frage: Wie können wir einen neuen Fön entwickeln? Das Ergebnis ist ein Haartrockner mit vielen Temperaturstufen, ein Haartrockner für lockiges oder glattes Haar, ein superschneller Haartrockner, ein Haartrockner für empfindliches Haar – aber letztendlich wieder ein Haartrockner.
Aber geht es wirklich um den Haartrockner? Sollten sich die Innovationsbemühungen nicht eher auf die Menschen konzentrieren, die trockenes Haar haben wollen? Möglicherweise könnte das Ziel, das Kunden erreichen wollen, wenn sie einen Haartrockner verwenden, durch ganz andere und bessere Lösungen erreicht werden, zum Beispiel durch einen Haarstaubsauger, ein Handtuch mit super absorbierendem Material oder durch ein Produkt, das das Haar reinigt, ohne es nass zu machen.
Beide Aspekte: 1) die Schwierigkeit “out-of-the-box“ zu denken, sowie 2) Produktarchetypen und dominante Designs, haben eine Tendenz zur inkrementellen Innovation zur Folge. Das bedeutet, dass sich Innovation in erster Linie darauf fokussiert, immer mehr und immer bessere Produktmerkmale zu entwickeln, anstatt die wesentliche Frage ins Zentrum zu stellen: nämlich wie echter “Value“ geschaffen werden kann. Die Folgen sind oft zunehmende Produktmonotonie und Tendenz zur Standardisierung, Preiswettbewerb und letztlich die Gefahr, disruptiert zu werden.
Um diese Gefahren abzuwenden und um bahnbrechende Innovationen zu schaffen, müssen Unternehmen wirklich kundenzentriert werden. Das bedeutet, dass sie über die bestehenden Lösungen hinausblicken müssen, um das zugrunde liegende Problem oder Kundenbedürfnis zu erkennen.
Jobs-to-be-Done (JTBD) ist eine Innovationsmethodik, die ihren Ursprung im “lösungsfreiem Denken“ hat. Nach der JTBD-Logik wird ein Markt als eine Gruppe von Menschen (die sogenannten “Job Executors“) definiert, die versuchen, eine Aufgabe oder ein Ziel (eben den job-to-be-done) zu erreichen.
Im Gegensatz zur herkömmlichen Weise, Märkte zu definieren, wird hier die Angebotsseite – die Produkte und die Technologien, auf denen sie basieren – vollständig ausgeklammert. Auf Grundlage dieser “lösungsfreien“ Marktdefinition werden unter Anwendung des Outcome-Driven Innovation Prozesses® (ODI) anschließend die Kundenbedürfnisse in diesem Markt ermittelt. Danach wird für jedes einzelne identifizierte Bedürfnis festgestellt, wie zufrieden die Kunden mit den bisherigen Lösungen sind, und wie wichtig ihnen das Bedürfnis ist.
Erst, wenn ein Unternehmen die natürliche Bedürfnisstruktur eines Marktes erkannt hat und genau weiß, wo ungenutztes Innovationspotenzial liegt – erst dann ist es an der Zeit, an Produkte und Services zu denken. Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass nur Konzepte entwickelt werden, die genau auf unerfüllte und relevante Kundenbedürfnisse abzielen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass das ermittelte Innovationspotenzial als langfristige Leitlinie für Innovationsstrategien dient, wie Clayton Christensen in diesem Artikel erläutert:
“If you frame your business in terms of products you’re trying to sell, life comes and goes, and you get supplanted by other products and technologies. But if you deliver something that does the job well, it will open up opportunities to use new technologies as they emerge. What your business is about is doing the job better and better, and that clarity doesn’t diminish over time because of the stability of the jobs to be done.”
Was die Jobs-to-be-Done-Denkweise von vielen anderen kundenorientierten Ansätzen wie agilen Innovationsmethoden oder Minimum Viable Product (MVP) unterscheidet, ist, dass es das lösungsfreie Denken an den Anfang des Innovationsprozesses stellt.
Die meisten kundenorientierten Innovationsmethoden haben ihre Stärken in den späteren Phasen des Innovationsprozesses, beispielsweise wenn es darum geht, konkrete Produktkonzepte kundenorientiert zu gestalten und zu testen. Die Stärke von JTBD und seiner praktischen Umsetzung mit dem Outcome-Driven Innovation® (ODI) Prozess liegt darin, dass in einem ersten Schritt echte Innovationspotenziale identifiziert werden, auf denen die folgenden Aktivitäten des Innovationsprozesses aufbauen können.
Aus diesem Grund bezeichnen wir den ODI-Ansatz als kundenzentriert – und nicht nur als kundenorientiert. Kundenzentrierung bedeutet, dass die Kundenbedürfnisse tatsächlich im Zentrum der Innovationsbemühungen stehen, und zwar über den gesamten Innovationsprozess hinweg.
Was ist der job-to-be-done, den Ihre Kunden zu erledigen versuchen? Nehmen Sie sich einen Stift und ein Blatt Papier, eine ruhige Minute und versuchen Sie, Ihren Markt aus dieser konsequent kundenzentrierten Perspektive zu betrachten. Merken Sie, wie sich Ihr Innovationshorizont schon durch diese kleine Übung erweitert?
Wenn Sie tiefer in dieses Thema eintauchen möchten, dann schauen Sie sich die JTBD E-Learning-Plattform an. Ebenso empfehlenswert die Teilnahme an den Live-Formaten des JTBD Instituts, wie dem Innovators Talk am 1. Dezember, bei dem Sie sich mit Innovationsexperten und Gleichgesinnten austauschen können.
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